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Deutschland droht Verkehrsanarchie

(Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Das städtische Mobilitätssystem befindet sich im Umbruch. Vor allem die Einführung autonomer Fahrzeuge wird die Attraktivität des ÖPNV gefährden; der Stadtverkehr könnte stark zunehmen. Um dies zu verhindern, sollten deutsche Städte bereits heute die Weichen für ein zukunftsfähiges Mobilitätssystem stellen, so die neue Roland Berger-Studie Urbane Mobilität 2030: Zwischen Anarchie und Hypereffizienz.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Auto Club Europa (ACE) entwickelt und durch den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) unterstützt. Dabei wurden Experten aus der Automobilindustrie, von öffentlichen Verkehrsbetrieben sowie aus der Wissenschaft befragt. Auf den ersten Blick sieht die Lage in den deutschen Städten gar nicht so schlecht aus: Die Mehrheit der Befragten stellt dem deutschen Mobilitätssystem im internationalen Vergleich ein gutes, wenn auch nicht sehr gutes Zeugnis aus, wenn es um den Stand von Infrastruktur, Technologie, Digitalisierung und rechtlichen Rahmenbedingungen geht.

„Diese Bewertung zeigt, dass in Deutschland wichtige Voraussetzungen für eine moderne und intelligente Mobilität vorhanden sind“, erklärt Roland Berger-Partner Torsten Henzelmann. „Allerdings fehlen noch durchdachte Gesamtkonzepte, um integrierte Verkehrssysteme in den Städten zu entwickeln. Daran sollten vor allem Ballungszentren schnell arbeiten, um eine Verkehrsanarchie zu vermeiden.“

Vor allem beim autonomen Fahren nimmt Deutschland derzeit die Rolle eines technologischen Pioniers ein, denn das Land verfügt über ein großes technisches Know-how. Autonom fahrende Taxen – so genannte Robocabs – werden daher voraussichtlich bis 2030 in den deutschen Markt drängen. Entsprechend werden viele Menschen diese Dienste auch in Anspruch nehmen, denn ihr Preis pro Personenkilometer liegt ca. 60 Prozent unter dem Preis herkömmlicher Taxen.

„Wenn viele Nutzer auf Robocabs umsteigen, weil sie so günstig und bequem sind, würde diese Entwicklung die städtische Verkehrslage weiter belasten“, erläutert Roland Berger-Partner Tobias Schönberg. „Außerdem würden Anbieter von öffentlichen Transportmitteln durch die Niedrigpreise der Robocabs stark unter Druck geraten.“

Betreiber von öffentlichen Nahtransportmitteln würden Kunden verlieren und müssten so ihre Tarife erhöhen, um dies zu kompensieren. Für die Unternehmen aus dem öffentlichen Transportsektor droht ohne Maßnahmen zur Sicherung der Angebotsattraktivität eine Abwärtsspirale. Denn Fahrpreiserhöhungen würden die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel gegenüber Robocabs noch stärker unter Druck setzen.

Roland Berger, 1967 gegründet, ist die einzige der weltweit führenden Unternehmensberatungen mit deutscher Herkunft und europäischen Wurzeln. Mit rund 2.400 Mitarbeitern in 34 Ländern ist das Unternehmen in allen global wichtigen Märkten erfolgreich aktiv. Die gesamte Studie steht in elektronischer Form für jedermann zum Download bereit.



Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
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