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Mobilitätstrends zu Fernreisen erschienen

(Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die aktuelle Studie Mobilitätstrends kommt – wie schon Ende 2018 – zu dem Ergebnis, dass die Sättigungsgrenzen im Fernbusmarkt erreicht sind. Weiteres Wachstum, das über das steigende Gesamtverkehrsaufkommen hinausgeht, wird es nicht geben. „Trotz weiterhin günstiger Preise steht der Markt für Fernlinienbus-Reisen in Deutschland vor einer Konsolidierungsphase – die Kunden haben sich an das neue Angebot und niedrige Preise gewöhnt, aber der Wettbewerb holt auf“, betont Prof. Dr. Andreas Krämer als Co-Autor der Studie.

Diese untersucht u.a. Mobilitätstrends bei Reisen ab fünfzig Kilometern für eine einfache Strecke – also alles, was nach der klassischen Definition über Reiseweiten kein Regionalverkehr mehr ist. Der Mobilitätsmarkt in Deutschland ist durch ein mehrfache Monopolsituation gekennzeichnet: Die Deutsche Bahn beherrscht den Markt für Bahnfernreisen, die Lufthansa (inkl. Tochterunternehmen wie Eurowings) den Markt für Flugreisen, BlaBlaCar den Markt für Mitfahrgelegenheiten und Flixbus den Markt für Reisen mit dem Fernbus.

Nach einem verheerenden Preiskrieg und mehreren Übernahmen verfügt Flixbus aktuell in Deutschland über etwa 95 Prozent Marktanteil. Flixbus ist in den letzten Jahren eher im Bereich Auslandsreisen gewachsen, während Reisen innerhalb Deutschlands rückläufig sind. Eine Erholung für Flixbus auf dem innerdeutschen Markt ist nicht in Sicht, weil sich die Konkurrenzsituation gleich an mehreren Punkten ändert.

Erstens bietet die DB AG vermehrt Super Sparpreise an (bei entsprechend frühzeitiger Buchung ab einem Preis von 19,90 Euro bzw. ca. 14 Euro für Kunden mit BahnCard). Zweitens erhöht der französische Anbieter BlaBlaCar erkennbar die Verfügbarkeit von Mitfahrmöglichkeiten. Kurzfristig geplante Fahrten können ab etwa vier Cent pro Kilometer zum Niveau der Fernbuspreise gebucht werden.

Drittens ist eine veränderte Wettbewerbssituation bei Fernbusreisen zu erwarten, nachdem BlaBlaCar mit der Marke BlaBlaBus an den Markt geht. BlaBlaBus ist aus der Übernahme des Fernbusgeschäfts der französischen Staatsbahn entstanden, die bereits seit 2018 auch auf dem deutschen Markt aktiv ist. Gleichzeitig bietet Flixbus auf seinem Mobilitätsportal auch selbst Bahnreisen an und tritt damit zum eigenen Angebot in Konkurrenz.

Bei der Preisanalyse für kurzfristige Reisen auf 10 deutschen Kernrelationen werden auf drei Strecken auch Bahnreisen mit Flixtrain angeboten. Die Preise liegen dabei deutlich unterhalb der Preise für die Busreise. Flixbus selbst sieht dies eher als Ergänzungsangebot. Das dürfte bei den beteiligten Busunternehmen weniger positiv bewertet werden. Flixbus verdient als Betreiber der Plattform in jedem Fall, die Busunternehmer nur, wenn auch Fahrten mit dem Fernbus unternommen werden.

Wird das Zugangebot weiter ausgedehnt, werden die Zielkonflikte innerhalb des Geschäftsmodells stärker, vor allem, wenn der Ticketabsatz eher rückläufig ist. Die niedrigsten Preise wurden seit der Liberalisierung des Marktes für Fernbusreisen in 2015 beobachtet, als noch mehrere Anbieter um Marktanteile kämpften. Im Oktober 2015 stellte unsere Preisanalyse einen Preis pro km von 2,4 Cent fest (günstigster verfügbarer Preis).

Für eine mittlere Strecke (300 Kilometer) waren dies weniger als acht Euro pro Ticket. In einer Vergleichsmessung im März 2019 liegt der Durchschnitt bei fast vier Cent pro Kilometer. Auch der Wettbewerber BlaBlaCar kämpft zielstrebig um das Segment der preissensiblen Reisenden. Teilweise liegen die angebotenen Preise sogar unterhalb des ohnehin geringen Preisniveaus der Fernbusse.

Ein wesentlicher Vorteil der Mitfahrmöglichkeiten: Die Reise mit dem Pkw ist in der Regel kürzer als mit dem Bus. Außerdem unterläuft der Anbieter die wahrgenommen Kosten der Nutzung des eigenen Pkw, so dass dieser auch das Segment der Pkw-Besitzer anspricht. Offensichtlich hat BlaBlaCar auch gute Chancen, die kritische Masse als Netzwerkanbieter zu erreichen: Für neun der untersuchten zehn Relation werden (ausreichend) Mitfahrmöglichkeiten angeboten.

„Die kommenden Monate werden eine Herausforderung für das deutsche Startup Flixbus: Nicht nur die Deutsche Bahn, sondern zunehmend auch BlaBlaCar werden zur Bedrohung und punkten nicht nur mit niedrigen Preisen, sondern auch mit i.d.R. kürzerer Reisezeit“, resümiert Johannes Hercher, ebenfalls Co-Autor der Studie. Die Studie wird seit 2013 jährlich erstellt und befasst sich mit dem Mobilitätsverhalten im deutschsprachigen Raum.



Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
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