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VRR und Eurobahn: Zweite Runde im Streit

(VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Streit zwischen der Eurobahn und dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR ist in den vergangenen Tagen in die nächste Runde gegangen: Das Düsseldorfer Unternehmen hat angekündigt, die vom VRR in Gelsenkirchen ausgesprochene Vertragskündigung über ein Teillos der S-Bahn Rhein-Ruhr nicht zu akzeptieren, sondern juristische Schritte einzuleiten.

Hintergrund: Am vergangenen Mittwoch ist durch einen Artikel der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung berichtet, dass der VRR gut zwölf Wochen vor der geplante Betriebsaufnahme den Verkehrsvertrag kündigt und beabsichtigt, den bisherigen Betreiber DB Regio mit einer Notvergabe für die Dauer von zwei Jahren zu beauftragen. In dieser Zeit soll es eine neue Ausschreibung geben, im Anschluss hätte der neue Betreiber ausreichend Zeit, Personal zu akquirieren.

Die mangelnden Mitarbeiter der Eurobahn wurden als Grund genannt. Wie VRR-Geschäftsführer Ronald Lünser sagte, fehlen rund sechzig bis achtzig Mitarbeiter, die man unmöglich bis Dezember einstellen und/oder ausbilden könne. Daher habe man die Notbremse gezogen und den Vertrag gekündigt. Bei der Eurobahn wusste man indes um die Situation, weswegen man intensive Gespräche mit DB Regio geführt hat, dass das Unternehmen die bisherigen Leistungen noch einige Monate mit eigenem Personal weiterbetreibt, während die Eurobahn Mitarbeiter sucht.

Ein nicht unerheblicher Teil der bislang in den Linien S1 und S4 beschäftigten Mitarbeiter scheinen trotz des Auftragsverlustes im DB-Konzern zu bleiben und nicht zum neuen Betreiber zu wechseln. So sind nach den Informationen des Eisenbahnjournales Zughalt.de rund zwanzig Lokomotivführer, die jetzt noch im fraglichen S-Bahnlos fahren, ab Dezember fest bei der DB Fernverkehr AG eingeplant. Sie haben sich konzernintern beruflich neu orientiert. Darüber hinaus haben die Eurobahn und DB Regio bei der Frage nach Übergangsleistungen auch finanziell nicht zueinandergefunden.

In Bezug auf das Rollmaterial gibt es keine Probleme: Die Züge wurden ab 2008 von DB Regio angeschafft und zwischenzeitlich an den VRR verkauft. DB Regio bleibt am Standort Essen weiter für die Instandhaltung verantwortlich, diese Vergabe erfolgte unabhängig von der Beauftragung der Verkehrsleistungen. Inzwischen ist auch die Umlackierung vom verkehrsroten Design der DB Regio in grün-weiße VRR-Farben abgeschlossen.

Auch deshalb könnte eine Neuausschreibung relativ schnell erfolgen, weil keine Züge anzuschaffen wären. Bei der Eurobahn indes wird man die Kündigung nicht akzeptieren und strebt einen Gerichtsbeschluss an, der die Kündigung als unwirksam betrachtet. Gleichzeitig hieß es am Freitag, dass man weiterhin, mit Partnern aus der Eisenbahnbranche, versuchen werde, die Betriebsaufnahme am 15. Dezember auf die Beine zu stellen.

Allerdings: Die Personaldecke ist branchenweit zu dünn, ach in Nordrhein-Westfalen. Auch andere Unternehmen sind nicht so ohne weiteres in der Lage, die vom Ronald Lünser genannte Zahl von sechzig bis achtzig Triebfahrzeugführern zusammenzubringen. Ein weiteres Risiko für alle beteiligten Parteien wäre zudem ein langjähriger Prozess zwischen dem VRR und der Eurobahn, schlimmstenfalls wäre auch ein weiterer Betreiber betroffen: Wenn Jahre nach einer Neuausschreibung rechtskräftig geurteilt wird, dass die Kündigung unwirksam war.

Beim VRR sieht man sich aber juristisch auf der sicheren Seite. Unabhängig von der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Kündigung im konkreten Fall zeigt sich aber, dass sich die Machtverhältnisse zwischen den Verkehrsunternehmen und den Aufgabenträgern deutlich zugunsten letzterer verschoben haben. Denn wenn das Rollmaterial im Eigentum des Aufgabenträgers steht (oder im Eigentum einer Leasinggesellschaft, dessen Vertragspartner der Aufgabenträger ist), dann ist die Durchführung einer solchen Kündigung zunächst einfacher, denn der sofortige Zugriff auf die Fahrzeuge besteht.

Doch ganz gleich, ob die Kündigung des VRR rechtswirksam ist, ob die Eurobahn erfolgreich dagegen klagen wird oder ob man sich auf einen Kompromiss einigen kann: Man sieht, dass der VRR – im Gegensatz zu manch anderen Aufgabenträgern in Deutschland – bereits während der Vorbereitungen auf die Betriebsaufnahme ein Controlling durchführt. Das etwa hat man beim Zweckverband SPNV Süd in Rheinland-Pfalz beim Dieselnetz Südwest nicht gemacht. Dort wurde man kalt überrascht, als Netinera ohne Personal dastand; in Gelsenkirchen wäre das undenkbar.





Stefan Hennigfeld
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