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Zürich: Bilanz nach sieben Wochen Corona

(Schweiz) Autor:Stefan Hennigfeld

Nach sieben Wochen mit eingeschränktem Verkehrsangebot fahren die öffentlichen Verkehrsmittel im Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) seit dieser Woche größtenteils wieder gemäß regulärem Fahrplan. Es gilt das nationale Schutzkonzept, das unter anderem das Tragen einer Maske empfiehlt, sobald die Abstandsregel nicht mehr eingehalten werden kann. Auch bei der Begleitung der Fahrzeuge und den Ticketkontrollen gilt wieder der Normalzustand.

Die finanziellen Folgen der Coronakrise für den ZVV wiegen schwer: Das jährliche Defizit könnte sich um über hundert Millionen Franken erhöhen. Mit dem Ausruf der außerordentlichen Lage durch den Bundesrat Mitte März 2020 begann auch für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz ein unbekanntes Kapitel. Nach sieben Wochen kehrt das System im Kanton Zürich zumindest beim Fahrplanangebot fast wieder zum Normalzustand zurück.

Verkehrsratspräsidentin und Regierungsrätin Carmen Walker Späh (FDP) und ZVV-Direktor Franz Kagerbauer haben aus diesem Anlass heute an einer Medienkonferenz eine erste Auslegeordnung vorgenommen. Dabei dankten sie vor allem den Angestellten der Verkehrsunternehmen, die während dieser Zeit den reibungslosen und sicheren Betrieb sichergestellt hatten. Die Hauptlinien der Zürcher S-Bahn verkehrten auch in den letzten sieben Wochen im gewohnten Takt.

Die wenigen ausgedünnten Kurse werden nun wieder eingeführt. So verkehrt beispielsweise die S19 ab nächstem Montag wieder ganztags und auch die S35 fährt gemäß Jahresfahrplan. Die Entlastungslinien zur Hauptverkehrszeit (S20, S21 und S23) werden seit letztem Montag teilweise und ab 8. Juni wieder vollständig im gewohnten Takt angeboten. In der Stadt Zürich wurde das Fahrplanangebot von Trams und Bussen bereits per letzten Montag (4. Mai) wieder ausgeweitet. Gleiches gilt für die Forchbahn und die Sihltal Zürich Uetliberg Bahn.

In der Stadt Winterthur gilt auf einigen Linien vorerst noch der Sommerferien-Fahrplan und ab dem 8. Juni ist flächendeckend der reguläre Betrieb vorgesehen. Die Busbetriebe im übrigen Verbundgebiet fahren teilweise bereits wieder das Normalangebot oder wechseln per 11. Mai dazu. Bis auf Weiteres nicht angeboten werden touristische Verbindungen, beispielsweise auf dem Zürichsee sowie das Nachtnetz.

Sämtliche Maßnahmen erfolgen in Absprache mit den nationalen Systemführern SBB und Postauto und stehen unter Vorbehalt ausreichender Personalverfügbarkeit. Im Zuge der vom Bundesrat beschlossenen Lockerungen der Maßnahmen dürfte die Gesellschaft schrittweise wieder mobiler werden. Dadurch wird es im öV zu Situationen kommen, in denen die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfohlenen zwei Meter Abstand nicht eingehalten werden können.

In diesen Fällen wird den Fahrgästen gemäß dem national geltenden Schutzkonzept für den öV dringend empfohlen, eine Schutzmaske zu tragen. Die Verkehrsunternehmen ihrerseits sorgen für die Reinigung der Fahrzeuge und die automatische Türöffnung an den Haltestellen. Um die Sicherheit zusätzlich zu erhöhen, sollen Fahrgäste wenn möglich die Stoßzeiten vermeiden und Tickets online kaufen. Ab dem 11. Mai werden die Fahrzeuge im ZVV wieder wie vor dem Ausbruch der Krise begleitet und auch die Ticketkontrollen finden im üblichen Umfang statt.

Das umfangreiche und dichte Verkehrsangebot im gesamten ZVV ist in normalen Zeiten zu knapp siebzig Prozent kostendeckend. Das verbleibende jährliche Defizit wird je zur Hälfte mit Steuergeldern des Kantons und der Zürcher Gemeinden beglichen. Reserven kann der Zürcher Verkehrsverbund als unselbständige Anstalt des Kantons nicht anlegen.

Während der Coronakrise ist die Nachfrage im öffentlichen Verkehr drastisch eingebrochen. Im Verbundgebiet wurden achtzig Prozent weniger Fahrgäste verzeichnet. In der Folge sanken auch die Einnahmen um circa 75 Prozent. Dies wird sich deshalb auch auf die diesjährige Kostenunterdeckung des ZVV auswirken. Gemäß ersten Berechnungen könnte das Defizit gegenüber dem budgetierten Wert um rund hundert Millionen Franken auf total 440 Millionen Franken ansteigen.

Die Prognosen gestalten sich aber aufgrund zahlreicher Unsicherheiten sehr schwierig. Es ist nicht genau vorherzusagen, in welchem Umfang die Nachfrage in den nächsten Wochen und Monaten wieder steigen wird oder ob es allenfalls gar wieder Rückschritte geben wird. Von der Coronakrise ist jedoch das gesamte öV-System, nicht nur in der Schweiz, in einem nie dagewesenen Ausmaß betroffen.



Stefan Hennigfeld
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