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VRR: Diskussionen um Ronald Lünser

16.05.22

In der letzten Woche – wenige Tage vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl – gab es im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) Zeitungsmeldungen, dass Geschäftsführer Ronald Lünser vor dem Abschied stehe. Hintergrund sind zerstrittene Fraktionen in der Verbandsversammlung, die sich gegenseitig zu blockieren drohen.

Im Dezember letzten Jahres wurde satzungsgemäß ein Verfahren zur Wiederbestellung von Lünsers Geschäftsführerkollegen José Castrillo eingeleitet, dessen Vertrag Ende 2022 ausläuft. Bei diesem Anlass wurde auch über Ronald Lünser diskutiert, dessen Vertrag Ende 2023 ausläuft und der von sich aus sehr wohl für eine weitere Amtsperiode zur Verfügung stehen würde, wenn es eine politische Mehrheit in den Gremien des VRR gäbe. Für die Besetzung der Posten ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig, auf die alleine weder SPD und Grüne noch die CDU kommt. Man braucht also Konsens und die jeweils andere Seite muss den vorgeschlagenen Kandidaten mittragen, damit diese Zweidrittelmehrheit erfüllt ist.

Lünser selbst hatte, um drohende Blockaden und ein langes politisches Hickhack zu verhindern, freiwillig auch einen vorzeitigen Abgang ins Spiel gebracht, um den VRR stabil und arbeitsfähig zu halten. Dabei waren Brancheninformationen zufolge durchaus alle drei Fraktionen mit Lünsers Arbeit sehr zufrieden. Die SPD und die Grünen hätten ihn auch wieder gewählt, der Personalrat und die Mitarbeitenden wünschen sich das auch und die Landesregierung lobte und danke ihm und seinen Aufgabenträgerkollegen vom NWL und NVR für das gute Krisenmanagement während der Abellio-Insolvenz.

Warum seine eigenen Leute von der CDU seine Wiederwahl nicht unterstützen wollen, haben sie nicht erklärt, bzw. mit einer politischen Neuausrichtung des VRR begründet. Gerüchte, es gäbe einen Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit bei der inzwischen aufgrund eines Schutzschirmverfahrens des Mutterkonzerns aus dem Markt ausgetretenen Abellio Rail NRW GmbH sind falsch. Doch gerade die CDU-Fraktion hatte das Ziel geäußert, den VRR politisch neu aufzustellen und dafür jemanden gesucht, der weniger Eisenbahnfachmann ist und stattdessen die Mobilitätswende an und für sich verkörpert.

Der VRR ist der größte SPNV-Aufgabenträger in Europa und verantwortet damit ein ungewöhnlich großes Netz. In diesem sind zahlreiche Eisenbahnverkehrsunternehmen tätig, wobei man mit dem Schutzschirmverfahren von Abellio zuletzt einen Marktaustritt hatte. Für künftige Vergaben ist man allerdings darauf angewiesen, erneut eine hohe Bieterresonanz zu bekommen. Ein Thema, das auch bei der jetzt anstehenden Koalitionsfindung in Düsseldorf eine Rolle spielen dürfte, denn niemand kann sich eine Hängepartie in einem der großen Aufgabenträger leisten.

Derzeit sind alle drei Bestellerorganisationen in kommunaler Trägerschaft und keine Landesorganisation. Die Kreise und kreisfreien Städte entsenden die Vertreter in die politischen Gremien und diese sind unabhängig von Weisungen aus dem Verkehrsministerium. Das hat den Vorteil, dass die sich verändernde politische Farbenlehre im Landeskabinett die Stabilität bei langlaufenden Verkehrsverträgen nicht gefährden kann.

Die Eisenbahn ist etwas sehr langfristig geplantes und organisiertes und ein Verkehrsvertrag, der über 15 Jahre läuft, kann nicht vorzeitig aufgekündigt werden, nur weil eine Koalition platzt oder vorzeitige Landtagswahlen ausgerufen werden. Zur Erinnerung: Zuletzt hat sich der nordrhein-westfälische Landtag im Jahr 2012 vorzeitig aufgelöst, weil die rot-grüne Minderheitsregierung keinen tragfähigen Haushalt schnüren konnte. Die drei Aufgabenträger waren davon nicht betroffen, sie arbeiten unabhängig von politischen Mehrheiten im Landtag.

Wenn allerdings der VRR führungslos wird, etwa weil sich CDU, SPD und Grüne in der VRR-Verbandsversammlung gegenseitig blockieren, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann man davon ausgehen, dass die Situation im VRR in den Facharbeitsgruppen der jetzt anstehenden Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen werden, zum anderen kann auch so etwas dazu führen, dass die neue Landesregierung sich grundsätzlich mit der Struktur der Aufgabenträger beschäftigt und auf Basis von Gesetzesänderungen den politischen Einfluss erhöhen könnte.

Dadurch wäre der Aufgabenträger generell deutlich anfälliger für politische Lobbyarbeit bestimmter Unternehmen – man erinnere sich etwa an die langjährigen Konflikte zwischen DB Regio und dem VRR, als die Landespolitik massiv versucht hat, Einfluss zugunsten der DB AG zu nehmen. Für Lobbyisten ist eine nachgeordnete Stelle eines Ministeriums, wie z.B. die BEG in Bayern oder die LNVG in Niedersachsen, deutlich einfacher zu bearbeiten als ein kommunaler Zweckverband. Dieser jedoch hat kann eine politische Dynamik in seinen Gremien entwickeln, die wiederum zu Zuständen führen kann, an denen niemand ein Interesse hat. So steht also ein heißer Sommer an, in dem es unterschiedliche Entwicklungen in eine ganze Reihe an Richtungen geben kann.

Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
Zughalt e.V.
Siegfriedstr. 24a
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Quelle: Zughalt.de