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Eisenbahngipfel in Berlin

22.09.22

Vor dem Hintergrund der fortdauernden Eisenbahnkrise in Deutschland haben sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Spitzenvertreter der DB AG letzte Woche zu einem Eisenbahngipfel in der Bundeshauptstadt getroffen. Rund 200 Experten haben sich dabei zu aktuellen Themen und der Frage nach Zukunftskonzepten ausgetauscht.

Minister Wissing: „Für mich steht fest: Der Deutschlandtakt ist das mit der gesamten Branche erarbeite Ziel für die Schiene. Daran halten wir fest, da müssen wir gemeinsam hin: pünktlich, zuverlässig, umweltfreundlich, qualitativ hochwertig und attraktiv für Reisende und Wirtschaft. Dafür müssen Digitalisierung, Elektrifizierung, Sanierung, Aus- und Neubau endlich zusammengedacht werden.“

Entsprechend hat er im Namen der Ampelkoalition Veränderungen angekündigt: „Ich werde die losen Fäden mit Blick auf das Gesamtziel zusammenführen. Aber Eines muss ich dazu deutlich sagen: mit dem jetzigen Zustand des Bestandsnetzes werden wir unsere Ziele nicht erreichen. Auch ein digitalisiertes marodes Netz bleibt im Endeffekt ein marodes Netz. Ich habe darum Ende Juni erste Eckpunkte vorgestellt, wie uns die Synchronisierung all dieser notwendigen Maßnahmen gelingen kann, und freue mich, dass die DB diesen Arbeitsauftrag angenommen und einen Vorschlag gemacht hat, der nun in enger Abstimmung mit der gesamten Branche finalisiert werden kann.“

An der Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik, also der Einführung von ETCS und DSTW, führt kein Weg vorbei. Konkret stellt der Bund zur Einführung von ETCS, u.a. über das Programm Digitale Schiene Deutschland, Mittel in Höhe von etwa sieben Milliarden bereit. Das langfristige Ziel ist, ETCS bis spätestens 2040 bundesweit einzuführen.

Durch die hohe Deckung der Hochleistungskorridore insbesondere mit den transeuropäischen Korridoren, die bis 2030 mit ETCS ausgerüstet werden sollen, ergibt sich ein großes Synchronisierungspotenzial, dass es unbedingt zu nutzen gilt. Ein zentraler Baustein dafür ist die Doppelausrüstung aller Schienenfahrzeuge mit „rollender Infrastruktur“, den sogenannten Onboard-Units (OBU).

Dass dies die wirtschaftlichste Variante zur Umsetzung ist, hatte bereits im Jahr 2018 ein Gutachten im Auftrag des Bundes festgestellt. Hier zeigt sich der Bundesverband Schienennahverkehr wenig optimistisch. „Auch nach Jahren der Planung herrscht noch immer keine Klarheit über die Finanzierung des Flächenrollouts von DSD. Dies gilt insbesondere für die Ausrüstung der Infrastrukturkomponenten in den Fahrzeugen. So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen jetzt Entscheidungen, da die Projektpläne zur bundesweiten Einführung bis 2035 bereits heute nicht mehr haltbar sind“, stellt Verbandspräsident Thomas Prechtl fest.

„Nur mit elektronischer sowie digitaler Stellwerkstechnik können wir in überschaubarer Zeit die Zuverlässigkeit der Infrastruktur deutlich erhöhen sowie durch Zentralisierung dem einsetzenden Personalmangel entgegenwirken. Wenn der Bund nicht bereit oder in der Lage ist, jetzt den kompletten Flächenrollout von DSD zu finanzieren, obwohl wir das als Bundesverband mit allem Nachdruck fordern, müssen zumindest die Stellwerke schnellstmöglich auf den Stand der Technik umgerüstet, zusätzlich die Blockabstände verkürzt und deutlich mehr Weichen eingebaut werden“, fordert Prechtl.

Auch der Wettbewerberverband Mofair sieht in der fortschreitenden Digitalisierung den Schlüssel zur Lösung der Personalprobleme und verweist darauf, dass es im Sommer 2013 noch ein handfester Skandal war, dass einige Tage zu wenig Fahrdienstleiter für das Stellwerk im Mainzer Hauptbahnhof verfügbar waren – inzwischen ist ein solcher Zustand jedoch bundesweit fast der Normalfall

In den vergangenen Wochen gab es bundesweit immer wieder Streckensperrungen wegen fehlender Fahrdienstleiter. Die Ausfälle schwanken zwischen einer Stunde, regelmäßig einem halben Tag über längere Zeit bis hin zu Komplettausfällen über einen Monat. Besonders stark war und ist der Südharzkorridor Halle – Lutherstadt, Eisleben – Sangerhausen – Nordhausen – Kassel betroffen.

Immer wieder fallen zumindest Teilstrecken aus, manchmal für halbe und ganze Tage – oftmals mit minimaler Vorwarnzeit. obwohl die Verkehrsunternehmen keinen Einfluss auf das Funktionieren des Netzes und damit der Stellwerke haben, sind sie die finanziellen Leidtragenden einer solchen Situation. Auch hier gelte es, die Rahmenbedingungen erheblich zu verändern.

Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
Zughalt e.V.
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Quelle: Zughalt.de