10.07.23 (Kommentar)
Die Deutsche Bahn AG ist in ihrem jetzigen Zustand nicht der Ausgangspunkt und nicht der Zielpunkt. Sie ist das Produkt einer abgebrochenen Eisenbahnreform. Ein Konzern, der auch ohne Börsengang diverse Worst-Case-Szenarien aus der damaligen Debatte hat wahr werden lassen. Er ist im Bundesbesitz, verhält sich aber wie ein Privatunternehmen.
Dabei profitiert die DB AG natürlich massiv davon, dass sie es immer wieder schafft, einzelne Aufgabenträger zu übervorteilen oder dass ihre Lobbyisten mit manipulativen Argumenten bei Wahlkreisabgeordneten und Lokalpolitikern Gehör finden. Ihr wollt doch den InterCity bei Euch am Bahnhof haben, oder nicht? Dann müsst Ihr den Regionalexpress abbestellen und statt dessen ganz unkompliziert und unbürokratisch Geld an DB Fernverkehr überweisen. Wenn dann das Deutschlandticket kommt, hält die DB AG natürlich gleich wieder die Hand auf und die Verantwortlichen legen Geld nach.
Ihr wollt verhindern, dass die Infrastrukturqualität sinkt? Dann müsst Ihr mehr Geld in die Schiene stecken. Der Rest passiert automatisch, so ist immer wieder die direkte oder indirekte Argumentation der DB AG oder der unmittelbaren Vorfeldorganisationen. Dabei hat die Monopolkommission zurecht erkannt, dass es eben nicht reicht, wenn man oben Geld reinpumpt, sondern es muss ein vernünftiges Controlling geben.
Es muss klare Regelungen für die Infrastrukturqualität geben. Auch der Aufgabenträger, die ihre Arbeit mehrheitlich gut und gewissenhaft machen, brauchen einen Rechtsstand. Sie müssen die Möglichkeit der Intervention haben, wenn an der S-Bahnhaltestelle sowieso die Rolltreppe über Wochen kaputt ist, wenn der Aufzug nicht repariert wird oder wenn Vandalismusschäden nicht beseitigt werden. Die DB AG und ihr Vorfeld werden jetzt sagen, dass ja alles prima sei. Was „unter Mehdorn“ mal war, ist jetzt längst Vergangenheit.
Tatsächlich aber kann die DB AG sich nach wie vor verhalten wie ein Gutsherr und so ein Aufgabenträger ist erstmal machtlos. Hier muss die Politik Courage zeigen und entsprechende Mittel an die Hand geben. Wenn die Rolltreppe zum Bahnsteig länger als einen Tag außer Betrieb ist, dann werden zunächst die Stationsentgelte gekürzt und nach einer angemessenen Frist kann der Aufgabenträger eine Ersatzvornahme veranlassen – auf Kosten des Infrastrukturbetreibers.
Dieser ist aktuell nun einmal die DB AG und soll es auch bleiben. Aber warum eigentlich? Klar, die EVG wird jetzt mit dem konzerninternen Arbeitsmarkt argumentieren. Manch ein Lokomotivführer von DB Regio glaubt tatsächlich, wenn er seine Fahrtauglichkeit verliert, würde er per Automatismus Fahrdienstleiter am Bahnhof seiner Einsatzstelle.
Dass die Realität anders aussieht, geschenkt. Nein, wir brauchen eine leistungsfähige Eisenbahn, die getrennt gedacht werden muss vom DB-Konzern. Die Eisenbahnpolitik muss wieder im Bundestag gemacht werden und nicht im Bahntower. Deshalb ist es an der Zeit, dicke Lobbyistenbretter zu bohren und eine unabhängige, bundeseigene Infrastruktur zu schaffen.
Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
Zughalt e.V.
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Quelle: Zughalt.de