10.07.23
Die Monopolkommission der Bundesregierung hat in der letzten Woche ihr jüngstes Sondergutachten für den Eisenbahnsektor vorgelegt. Darin plädieren die Experten aus Recht, Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspraxis dafür, die im Koalitionsvertrag vorgesehene gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturgesellschaft (InfraGO) weitgehend unabhängig von den Transportgesellschaften der Deutschen Bahn AG aufzustellen, Qualitätsziele bei ihrer Finanzierung besser zu verankern und den Wettbewerb im Fahrausweisvertrieb weiter zu liberalisieren.
Die Ampelkoalition plant indes, die Infrastruktur zwar nach gemeinwohlorientierten Gesichtspunkten arbeiten zu lassen, lehnt jedoch eine vollständige Herauslösung aus dem DB-Konzern ab. Das wiederum hält der Wettbewerberverband Mofair für falsch.
Verbandsgeschäftsführer Matthias Stoffregen: „Die Feststellungen der Monopolkommission kommen zur rechten Zeit und bringen Schwung in die Strukturreformdebatte. Der Fokus auf mehr Transparenz und Qualitätsorientierung weist absolut in die richtige Richtung. Sorgen macht uns die aktuelle Haushaltsplanung des Bundes, in der die dringend benötigten zusätzlichen Mittel für Schieneninfrastruktur und Digitalisierung noch kaum zu finden sind. Strukturreformen und mehr Geld für die Infrastruktur müssen Hand in Hand gehen. Wir brauchen beides. Im Moment sieht es aber eher so aus, als mache die Bundesregierung weder das eine noch das andere richtig.“
Alle zwei Jahre veröffentlicht die Monopolkommission ein Sondergutachten zum Stand des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich. Dazu hat sie einen gesetzlichen Auftrag (§ 78 Eisenbahnregulierungsgesetz). Mit der vorliegenden neunten Ausgabe führt die Monopolkommission ihre klare Linie zur wettbewerblichen Ausgestaltung des Marktes fort. Die Kommission erkennt, dass nur eine vom Rest des Konzerns weitgehend unabhängige Infrastrukturgesellschaft sicherstellt, dass die vorhandene Infrastruktur bestmöglich ausgelastet – weil es einer unabhängigen Gesellschaft egal ist, ob sie von Konzernschwestern wie DB Fernverkehr, DB Regio oder DB Cargo oder den Wettbewerbsbahnen genutzt wird.
Jeder Anreiz zur Diskriminierung entfiele. Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, dass die bisherigen monetären Instrumente zur Qualitätssteuerung weitgehend folgenlos geblieben seien. Die DB Netz erreicht alljährlich die Kennzahlen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III), aber die Qualität sinkt trotzdem. Offensichtlich sind sie nicht zielgenau. Dazu hatte DB-Chef Richard Lutz anfangs des Jahres eingeräumt: „Wir haben die Kennzahlen mit dem Bund vereinbart, bei denen wir einigermaßen sicher waren, dass wir sie auch erreichen.“
Das Anreizsystem zwischen der DB Netz und den Eisenbahnverkehrsunternehmen ist ebenfalls wirkungslos. Das erklärt man bei Mofair folgendermaßen: „Es schlicht zu gering dotiert: Noch immer ist es für DB Netz betriebswirtschaftlich sinnvoller, Zahlungen an die EVU zu akzeptieren, als teurere Maßnahmen zu ergreifen, die die Qualität erhöhen und die Verspätungen senken. Hinzu kommt, dass die Fahrdienstleiter die Verspätungskodierungen vornehmen, die Grundlage für die gegenseitigen Ansprüche aus dem Anreizsystem sind. DB Netz kann also die eigenen Risiken minimieren.“
Darüber hinaus schlägt die Monopolkommission vor, in die jährlich festzulegende Obergrenze der Gesamtkosten (OGK), aus denen die exakte Höhe der Trassenpreise abgeleitet wird, einen Qualitätsfaktor einzubeziehen. Das ist ein interessanter Ansatz. Allerdings wäre zu prüfen, wie er sich auf die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen auswirken würde. Hier sollten vor allem die EVU entlastet werden, die besonders unter schlechter Qualität zu leiden haben.
Dabei fordert Mofair auch die Stärkung unabhängiger Vertriebsdienstleiter. So schreibt der Verband: „Wie ein unabhängiges Infrastrukturunternehmen keinen Anreiz hätte, einzelne Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Trassenvergabe zu bevorzugen, würde ein unabhängiger Vertriebsdienstleister einen Bias zugunsten eines einzelnen Verkehrsunternehmens bei der Darstellung verschiedener Fahrtalternativen vermeiden.“
Hierzu fordert Mofair, dass alle vertriebsrelevanten Daten auch an Dritte herausgegeben werden sollen, um den Vertrieb unabhängig von den Plattformen der DB AG zu ermöglichen – auch um die Schiene insgesamt zu stärken und Vertriebswege zu ermöglichen, die jenseits der konzerneigenen Verkaufsmöglichkeiten bestehen.
Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
Zughalt e.V.
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Quelle: Zughalt.de