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Verbände: Kritik zur Halbzeit der Ampelkoalition

07.09.23

Die Bundesregierung ist zur Hälfte ihrer Amtszeit noch größtenteils im Rückstand bei der Erfüllung ihrer selbst gesteckten verkehrspolitischen Ziele. Zu diesem Ergebnis kommen Allianz pro Schiene, Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC) und Auto Club Europa (ACE). Die drei Verbände haben überprüft, inwieweit Versprechen aus dem Koalitionsvertrag bereits umgesetzt wurden. In Schulnoten gesprochen, erhält die Bundesregierung demnach im Zwischenzeugnis für ihre Verkehrspolitik lediglich die Note 4 („ausreichend“).

Mit Blick auf die zweite Hälfte der Regierungsperiode fordern die Verbände, die ausstehenden Vorhaben schneller anzugehen. Außerdem fordern sie eine systematischere Herangehensweise an die Verkehrswende, bei der Straße, Schiene und Radverkehr für den Verkehr von morgen zusammengedacht werden. Zwischen den einzelnen Themenfeldern der Verkehrspolitik gibt es durchaus größere Unterschiede in der Bewertung: Mehr Geld in die Schiene als in die Straße investieren – der Fortschritt bei diesem Koalitionsziel wird von den Verbänden als gut bewertet (Note 2), die Radverkehrspolitik bekommt angesichts sinkender Mittel die Note 4 – und beim noch ausstehenden Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen reicht es nur für ein „mangelhaft“.

In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Ampel-Regierung vorgenommen, den ÖPNV attraktiver zu machen – etwa indem es günstiger wird, die Schiene zu nutzen. Außerdem will sie einheitliche Standards für die Erreichbarkeit in urbanen und ländlichen Räumen definieren. Dazu sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege: „Das Deutschlandticket ist verkehrspolitisch ein Riesenschritt nach vorn. Mit einem einfachen und preislich hochattraktiven Nahverkehrsticket für ganz Deutschland ist die Regierung sogar über das hinausgegangen, was im Koalitionsvertrag angekündigt wurde. Das gilt es ganz klar anzuerkennen. Allerdings liegt noch ein weiter Weg vor der Ampel, wenn es darum geht das Angebot auszubauen und einheitliche Standards zur Erreichbarkeit in Stadt und Land zu definieren und umzusetzen.“

Auf der Zielgeraden ist das Vorhaben der Koalition, Einnahmen aus der Lkw-Maut ab 2024 auch für den Ausbau von Alternativen zum Straßenverkehr zu verwenden. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor und soll im Herbst im Parlament entschieden werden. Unverändert großen Nachholbedarf sieht die Allianz pro Schiene aber bei dem Versprechen der Koalitionäre, das Schienennetz zu erweitern und Strecken zu reaktiveren. Dass die Investitionen in die Schiene ab 2024 deutlich aufgestockt werden sollen, gehe zwar in die richtige Richtung. Aber etwa bei der Elektrifizierung des Schienennetzes gebe es kaum Fortschritte.

Dirk Flege: „Es müsste acht Mal so schnell gehen wie bisher, um bis 2030 tatsächlich 75 Prozent des Schienennetzes zu elektrifizieren. Die Beschleunigungskommission Schiene hat dazu längst Vorschläge gemacht, wie man bei der Elektrifizierung auch durch weniger Bürokratie schneller vorankommt. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, jetzt ist die Regierung gefragt, Nägel mit Köpfen zu machen.“

Beim Thema Radverkehr bekommt die Ampel-Koalition von den Verbänden die Gesamtnote 4. Vorgenommen hat sich die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag, die Radwegenetze so auszubauen, dass Deutschland bis 2030 zum attraktiven Fahrradland wird (Umsetzung des „Nationalen Radverkehrsplans“). Außerdem sollte eine Reform von Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung den Kommunen mehr Spielräume geben, Platz und gute Bedingungen zum Radfahren zu schaffen.

Als dritten Punkt wollte die Bundesregierung die für die Stärkung des Radverkehrs nötigen Finanzmittel absichern. In allen drei Punkten gibt es Kritik der Verbände. Der Ausbau geht demnach kaum voran, die ersten Entwürfe für ein neues Verkehrsrecht gehen nicht weit genug – und zuletzt hat die Bundesregierung die Mittel für den Radwegebau sogar halbiert. Insbesondere beim Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen appellieren die drei Verbände an die Bundesregierung, Dienstwagen- und Dieselprivileg sowie die Kerosinsteuerbefreiung abzuschaffen.

„Dass Einnahmen aus der Lkw-Maut künftig auch jenseits von Fernstraßen in Mobilität investiert werden können, ist ein Lichtblick. Dagegen hat sich beim Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen aber kaum etwas in die richtige Richtung bewegt“, sagt der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, im Namen aller Verbände. Es fehle an einer Gesamtstrategie für den Umweltverbund.

Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
Zughalt e.V.
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Quelle: Zughalt.de