29.01.24
Die Deutsche Bahn hat im Berliner Futurium letzte Woche bei einer Veranstaltung mit 300 geladenen Gästen aus Politik sowie Bahn- und Baubranche erstmals zentrale Handlungsfelder des neuen Unternehmens vorgestellt. Es geht darum, Qualität, Kapazität und Stabilität des Eisenbahnbetriebs nachhaltig zu verbessern und damit die Voraussetzungen zu schaffen, die verkehrs- und klimapolitischen Ziele des Bundes und die Wachstums- und Verkehrsverlagerungsziele der Konzernstrategie Starke Schiene umzusetzen.
Die neue Gesellschaft startet in diesem Jahr das umfassendste Sanierungs- und Modernisierungsprogramm für das Schienennetz und die Bahnhöfe. Die DB InfraGO AG bündelt seit dem Jahreswechsel die Aktivitäten des DB-Konzerns in den Bereichen Fahrweg und Bahnhöfe unter einem Dach. Das Unternehmen ist aus der Verschmelzung der beiden Infrastruktursparten des Konzerns, der DB Netz AG und der DB Station&Service AG hervorgegangen.
Richard Lutz, DB-Vorstandsvorsitzender: „Wir erleben die größte Zeitenwende für die Eisenbahn in Deutschland seit der Bahnreform. Die Schieneninfrastruktur ist zu alt, zu störanfällig und an vielen Stellen jenseits der Belastungsgrenze. Das zeigt auch der von uns für 2022 erstellte Netzzustandsbericht. Die betrieblichen Auswirkungen für die Menschen und die Wirtschaft sind massiv. Um diesen Abwärtstrend umzukehren, erneuern wir gemeinsam mit dem Bund sowohl Schienennetz als auch Bahnhöfe.“
Lutz: „Dies ist die entscheidende Voraussetzung, um die verkehrspolitischen Ziele zu erreichen und wieder mehr Qualität und Stabilität ins System zu bringen. Nichts anderes bedeutet für uns Gemeinwohlorientierung und genau dafür steht die neue DB InfraGO AG, die sich die Umsetzung des größten Infrastrukturprogramms für Kapazität und Qualität in zentralen Handlungsfeldern zur Kernaufgabe gemacht hat. Ich bin froh und dankbar für die Rückendeckung der Politik und den engen Schulterschluss zwischen Bund, DB, Branche und Bauindustrie. Denn diese Mammutaufgabe wird nur gemeinsam gelingen.“
Mit der neuen Gesellschaft setzt die DB ein wichtiges Vorhaben des Koalitionsvertrages und ein Versprechen gegenüber der gesamten Branche um. Mit mehr als 60.000 Angestellten ist die DB InfraGO AG für das rund 33.400 Kilometer lange Streckennetz inklusive aller betriebsnotwendigen Anlagen und 5.400 Bahnhöfe verantwortlich. Pro Tag fahren auf der Infrastruktur mehr als 50.000 Züge. Mit circa 21 Millionen Personen sind im Vergleich zu allen deutschen Flughäfen täglich über dreißig Mal so viele Menschen an den Bahnhöfen unterwegs.
Dennoch wird das Vorhaben auch kritisch gesehen. Der Wettbewerberverband Mofair sieht beispielsweise weitgehend nur Symbolpolitik hinter der Gründung. Verbandspräsident Martin Becker-Rethmann: „Das neue InFrago-Firmenschild ist kein Grund zum Feiern. Zu behaupten, der InFrago-Start markiere ‚einen großen Meilenstein der Bahngeschichte‘, ist geradezu abwegig. Bisher haben Denkverbote zur finanziellen und personellen Entflechtung innerhalb des DB-Konzerns sowie zur Steuerung und Finanzierung der Schieneninfrastruktur dazu geführt, dass die Probleme in den kommenden Monaten und Jahren eher noch größer zu werden drohen. Darüber kann keine Hochglanzkommunikation hinwegtäuschen.“
So bleibt etwa die „Beherrschung“ der InfraGO durch die DB AG – und eben nicht den Bund selbst – erhalten. Bei der Schieneninfrastruktur herrscht der Konzern und nicht das Gemeinwohl. Auf der Ebene der DB AG (Holding) bleibt das Infrastrukturressort erhalten, obwohl es doch einen vollständigen und handlungsfähigen Vorstand der InFrago selbst gibt. Das ist aber nicht nur eine überflüssige und teure Doppelstruktur, sondern sichert gerade die fortwährende Beherrschung des Konzerns über die Infrastruktur ab. Aus der Sicht des Gemeinwohls ist sie nach der Meinung von Mofair „schädlich“.
Dazu kommt, dass die Finanzierung der Schiene durch den Bundeshaushalt spätestens seit dem viel zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts kaum noch möglich erscheint. Anders jedoch sieht es bei Kapitalerhöhungen zugunsten der DB AG aus. Das ist weiterhin möglich. Aber: Es sorgt dafür, dass die Steuerungsmöglichkeiten durch die Politik weiter eingeschränkt werden. Das treibe auch die künftigen Trassenpreise in die Höhe, da die DB InfraGO die Investionen refinanzieren muss, was nicht der Fall ist, wenn es sich um Zuschüsse handelt. Das jedoch mache die Verkehrsverlagerung schwieriger.
Stefan Hennigfeld
Redaktioneller Leiter
Zughalt e.V.
Siegfriedstr. 24a
58453 Witten
Quelle: Zughalt.de