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Mut zu mehr Marktwirtschaft

(Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es gibt – außer den üblichen Worthülsen – keinerlei gute Gründe dafür, wieso die Verkehrsleistungen im Karlsruher Modell ausschließlich durch die AVG und die VBK betrieben werden könnten. So wie es generell keinen guten Grund gibt, eine Inhouse-Vergabe kommunaler Verkehrsleistungen einer marktwirtschaftlichen Ausschreibung vorzuziehen. Die Erfolge bei der großen Eisenbahn zeigen, dass die Trennung von Be- und Ersteller und der Wettbewerbsdruck zu steigender Qualität bei sinkenden Preisen führen.

Das Karlsruher Modell ist weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, es war Pate für ähnliche Lösungen im In- und Ausland. Einst soll der Erfinder Dieter Ludwig gesagt haben, dass die Mitarbeiter der Bundesbahn ihm für jede Lösung mindestens ein neues Problem präsentiert haben. Jeder, der sich hin und wieder in der Eisenbahnbranche bewegt, weiß dass das durchaus glaubwürdig ist.

Aber gerade deshalb muss man die Erfolge marktwirtschaftlicher Reformen auch in Mischmodelle wie in Karlsruhe überführen. Natürlich ist es für eine Kommune, die Aufgabenträger und Gesellschafter des Verkehrsunternehmens ist, ein Problem: Schließlich ist man einerseits der Schiedsrichter, andererseits aber auch ein Spieler auf dem Feld. Aber das zeigt, wie problematisch so eine Inhouse-Vergabe ist und dass es sich hier ausschließlich um eine Krücke handeln kann, mit der man zusammenführen will, was ordnungspolitisch nicht zusammenpassen kann.

Und eine Kommune, die Besitzer eines möglichen Auftragnehmers ist, kann kein neutraler Auftraggeber sein. Deswegen ist es so wichtig, dass mit der Marktöffnung auch Privatisierungen einhergehen. Dann haben Investoren die Risiken, die mit den Unternehmen einhergehen. Diese können die Risiken von Auftragsverlusten aber auch besser bewältigen, indem sie die Geschäftsfelder streuen.

Würde man AVG und VBK an private Investoren verkaufen, dann könnten die sich im In- und Ausland auf weitere Eisenbahnausschreibungen bewerben, sodass ein Verlust der (ehemaligen) Heimatmarktes nicht mehr weiter dramatisch wäre. Zumal die großen Big Player im kommunalen Verkehrsbereich auch heute schon in der Lage wären, im SPNV eine Rolle zu spielen. Die meisten tun das nicht, weil ihnen der protegierte Heimatmarkt wichtiger ist.

Aber genau das ist ein Problem. Und wenn es im bundesdeutschen Eisenbahnverkehr einen erheblichen Erstellermangel gibt (so das offizielle VDV-Narrativ), dann wäre es umso erfreulicher, wenn zahlreiche geeignete Unternehmen infolge von Privatisierungen und Marktöffnungen genau diesen Mangel kompensieren könnten.

Im Geiste der Eisenbahnreform und des Karlsruher Modells selbst, das wie kein anderes für Fortschritt und Innovation steht, sollte man nun diesen nächsten wichtigen Schritt machen: Mehr Marktwirtschaft wagen, auch auf der Schiene, inklusive der kommunalen Schiene. Schon nach wenigen Jahren, da bin ich ganz sicher, werden sich Erfolge einstellen, die die Bedenkenträger der Welt heute nicht einmal ansatzweise auf dem Schirm haben.



Siehe auch: Direktvergabe in Karlsruhe geplant



Stefan Hennigfeld
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